Immer wieder bin ich gefragt worden, wen ich für den besten Gitarristen hielte.
Gibt es den?
Gibt es tatsächlich einen besten Gitarristen, Pianisten, Sänger, Drummer usw.?
Nun ja, es gibt fast unendlich viele gute Instrumentalisten, etliche ausgezeichnete und einige außergewöhnliche.
Die Frage stellt sich für mich anders:
Was zeichnet die besonders begnadeten Gitarristen etc. aus?
Spielt man für die Musik oder ausschließlich für sich?
Für mich steht immer allein die Musik im - absoluten - Vordergrund.
Deshalb sollte die Qualität eines Instrumentalisten im Hinblick darauf bewertet werden, ob das, was er spielt und wie er es spielt, der Musik tatsächlich dienlich ist. Mir persönlich geht es nicht um reine Fingerakrobatik und raffinierter Artistik. Selbstverständlich ist eine besondere technische Fingerfertigkeit beeindruckend und selbstverständlich sollte ein Instru-mentalist sein jeweiliges Instrument auf einem angemessenen Niveau "beherrschen"; aber kann man die Qualität des Musikers und den Anspruch an ihn gleichsetzen mit dem, was einen erfolgreichen Hochleistungssportler auszeichnen würde?
Zur Veranschaulichung einige Beispiele:
Peter Green
In "Man of the world" von Fleetwood Mac spielt Peter Green in einem kurzen "Solo" ( ab ca. 1:40 min. ) nur wenige - ausgewählte - Töne, und er spielt sie musikalisch betrachtet so perfekt, dass es einen fast zerreißt - für diesen Song das wohl Beste, was ein Gitarrist erschaffen konnte.
Keith Richards
Keith Richards schätze ich für seine Interpretation des Rhythmusgitarristen, den es ja im ursprünglichen Sinn bei den Rolling Stones gar nicht gab. Die Riffs, die er entwickelt hat, zählen zu dem Besten, was die Rockmusik zu bieten hat: einfache, rhythmisch angelegte Ostinati mit antreibender Wirkung, die den Stones-Songs ihren einzigartigen Charakter geben.
George Harrison:
Der stille Beatle, wie es immer hieß, besaß das außergewöhnliche Talent:
George Harrison bettete seine gitarristische Arbeit derart gekonnt in die Lennon/McCartney-Songs ein, dass sie ein unbe-strittener Bestandteil dieser Kompositionen wurde und nicht wegzudenken ist.
In seiner Solozeit entwickelte er bereits früh ein Slidespiel, das immer sehr melodisch war und sich durch einen eigenen Sound mit hohem Wiedererkennungswert auszeichnete.
Mark Knopfler
Mark Knopler verzaubert seine Zuhörer durch den warmen Klang und vor allem durch seine Arpeggio geprägte Spiel-weise. Sein Akkord gebundenes Melodiespiel prägt den Gesamteindruck der Songs. Es ist sein Spiel, das fasziniert, es sind nicht die Songs selbst.
Eric Clapton:
Was ist das Besondere an Eric Clapton, wenn er "bewusst" musiziert?
Es sind das "Was" und das "Wie"! Seine Phrasierungen, seine Tonbildung und sein rhythmisches Timing sind wirklich be-
eindruckend.
Übrigens: Er selbst kritisierte im reiferen Alter die Qualität der von vielen Fans so hochgeschätzten Live-Auftritte aus der Cream-Ära. Bei fünfzehnminütigen Soli spielt man eben irgendwann nur noch irgendwelche Licks, die man im Repertoire hat.
Tommy Emmanuel:
Technische Brillanz gepaart mit einer ungeheuren Musikalität und rhythmischen Sicherheit. Tommy Emmanuel strahlt eine Leichtigkeit und Spielfreude aus, die ich in dieser Kombination für einzigartig und unübertroffen halte. Er scheint wirklich alles zu können, wozu er sich hin und wieder - leider, weil unnötig - immer wieder einmal hinreißen lässt.
Der Song, der mein Leben maßgeblich beeinflusste, ist „My Sweet Lord“ von George Harrison.
1970 – die Beatles hatten sich im April offiziell getrennt – hörte ich „My Sweet Lord“ das erste Mal.
Ich war noch ein Kind, Radio wurde wenig gehört – die riesige Blaupunkt-Musiktruhe stand natürlich im Wohnzimmer. Die Schallplattensammlung meiner Eltern umfasste vor allem alte Schelllackplatten bekannter Opernsänger wie bei-spielsweise Richard Tauber und Enrico Caruso. Ich selbst besaß „bereits“ eine Single von Freddy Quinn ( „Junge, komm´ bald wieder“ ) und die Titelmusik aus „Winnetou“ sowie zwei Langspielplatten, Heintje und Ivan Rebroff. Das war es dann auch.
Moderne, aktuelle Musik war bei uns zu Hause unbekannt. Überhaupt wurde in dieser Zeit im deutschen Rundfunk und Fernsehen nur sehr selten aktuelle englischsprachige Musik gespielt, Popmusik hörte man bei Radio Luxemburg auf „Mittelwelle“ – Rauschen, Kratzen, Brummen und Lautstärkeschwankungen inbegriffen.
Von den Beatles hatte ich bis dato keinen blassen Schimmer, von Popmusik insgesamt genauso wenig. Aber dann stieß ich zufällig auf diesen Sender, der ganz anders klang, und das eben nicht nur aufgrund des krachenden Grundrauschens. Hier sprach man anders, hier hatte man andere Themen und hier hatte man vor allem andere Musik.
Irgendwann bekam ich heraus, zu welcher Zeit die aktuellen Charts gespielt wurden. Ab jetzt verpasste ich über Jahre so gut wie keinen Sendetermin mehr.
Im Mai oder im Juni 1970 platzte schließlich „My Sweet Lord“ in mein junges Leben. Ich war wie hypnotisiert, diese Musik „warf mich um“, der Song traf direkt in meine Seele. Dieser gewaltige Klang der akustischen Rhythmusgitarre ließ mich nicht mehr los; ich wollte unbedingt eine Gitarre haben, ich wollte unbedingt Gitarre spielen lernen. Ich wusste und ich fühlte: Genau das ist es! Und nichts wird mich davon abbringen können!
Mein langes Quengeln hatte schließlich Erfolg, zu Weihnachten war es so weit. Doch diese Gitarre, eine „einfache“ preis-werte „Hopf“, klang ganz, ganz anders, als ich es erwartet hatte. Im ersten Moment war ich enttäuscht, doch letztlich über-wog die Freude über meine erste Gitarre.
Und ja, ich musste viel, sehr viel lernen:
Die Gitarre stimmen, Gitarrensaiten aufziehen, Noten lesen, Harmonielehre ... und vor allem musste ich und wollte ich spielen. Das Gitarrenspiel wurde zum alltäglichen Ritual: Vor der Schule, weil ich ja „lange“ nicht mehr gespielt hatte, nach der Schule, um mich abzureagieren, stilles Greifen üben während des Fernsehens, lautes Spiel im Bad, weil es so gut klang ... Und selbstverständlich war ich auch immer wieder frustriert, weil meine Hände nicht genau das machten, was sie sollten.
Und doch, dieses Instrument bedeutete mir alles. Ich übte wirklich wie verrückt, dann schaffte ich es irgendwann, „My Sweet Lord“ selbst zu spielen. Es folgten andere Gitarren, gemeinsames Musizieren, Bands, eigene Songs und letztlich sogar ein Musikstudium.
Ich bin sicher, ohne diesen besonderen Song wäre mein Leben anders verlaufen.
Und übrigens: Die Faszination und die Magie, die „My Sweet Lord“ auf mich als Kind ausübte, ist sofort wieder da, sobald ich das Intro mit diesen satt klingenden Gitarrenakkorden aus dem Jahr 1970 höre.